Von: Sebastian Herbst
Der Baur Versand kann sich heute einiger bedeutender Titel wähnen, unter anderem der Tatsache, dass er einer der ältesten Universalversender in Deutschland ist. Zudem generiert er mit 500 Mio. Euro einen Umsatz, der fast ein Drittel so groß ist, wie der des vermeintlichen Hauptkonkurrenten, dem Otto-Versand, der 1,7 Mrd. Euro umsetzt. Auch Neckermann kann deutlich am Baur Versand vorbeiziehen, hier werden als Umsatz ungefähr 1,4 Mrd. Euro genannt – was ist also an der Zahl des Baur Versands so erstaunlich?
Diese Frage erschließt sich uns leichter, wenn wir uns einmal ansehen, wo denn die Versandhäuser so entstanden sind: Neckermann wurde in der Börsenstadt Frankfurt gegründet, der Otto-Versand in Hamburg und damit sogar in der zweitgrößten Stadt Deutschlands. Der Baur Versand wurde in Burgkunstadt gegründet. Das sagt Ihnen nichts? Ganz normal. Wenn überhaupt, dann kennt man die heute gerade einmal 4.000-Einwohner starke Stadt aufgrund des Baur Versands.
Dieser wurde im Übrigen 1925 von Dr. Friedrich Baur als reiner Schuhversand gegründet, was sich aufgrund der in Burgkunstadt weit ausgebauten Schuhindustrie sowieso anbot. Mit dieser frühen Gründung schlägt Baur das ehemalige Versandhaus Quelle um zwei Jahre sowie die beiden sich immer noch am Markt befindlichen Wettbewerber Neckermann und Otto, die erst Ende der 40er Jahre gegründet wurden, deutlich.
Obwohl der Baur-Versand demnach eine deutlich längere Entwicklungszeit genießen konnte, kann man es ihm aufgrund der im Vergleich zu Hamburg und Frankfurt doch eher mäßigen Lage nicht vorhalten, dass seine Umsatzzahlen heute den beiden anderen Versandhändlern noch so weit hinterherhinken. Es ist überhaupt schon ein Wunder, dass sich Baur so gut entwickeln konnte und auch Textilien und Hartwaren in sein Sortiment mit aufnahm. Womöglich lag dies auch an der Tatsache, dass man hier als erster Versandhändler überhaupt die Sammelbestellung einführte, bei der eine Person die Bestellung, die Zahlung sowie die Lieferungsannahme für mehrere Personen übernimmt und anschließend unter den Bestellern verteilt.
Um diese Sammelbesteller an sich zu binden, organisierte der Baur Versand in der Vergangenheit Busfahrten, bei denen Sammelbesteller aus ganz Deutschland mit unzähligen Bussen herangeholt wurden, um die Baur Kaufwelt zu besuchen. Hier konnten sie sich Ware aus dem Katalog in natura ansehen und so besser über den Kauf befinden.
Seitdem die Otto Group 1997 mit der Übernahme des Baur Versands begann, hat sich diese Situation jedoch stark geändert. Da die Lager in Burgkunstadt nun auch eine Vielzahl von anderen Versandhändlern der Otto Group zur Logistik dienen und die Sortimente von Baur und Otto praktisch angeglichen wurden, haben die Kaufwelt und der Versand nun vollkommen autonome Einkäufe, was dazu führt, dass man Artikel aus dem Katalog nicht mehr in der Kaufwelt bestellen beziehungsweise ansehen kann und andersherum auch keine in der Kaufwelt vergriffenen Artikel über den Versand bestellen kann. Diese Entwicklung schadete dem Unternehmen, insbesondere der Kaufwelt zusehends, da ein Großteil der Sammelbesteller keinen Zweck mehr darin sahen, mit den Busfahrten Baur vor Ort aufzusuchen.
In jüngerer Vergangenheit versucht man nun diese Entwicklung durch Marketingkampagnen zu kompensieren, wobei die Erfolge eher zweifelhaft sind. In der Umgebung hält sich nach wie vor stark das nicht eben aus der Luft gegriffene Gerücht, die Kaufwelt werde bald ihre Pforten schließen müssen. Dies ist vor allem deshalb kritisch zu sehen, da der Baur Versand mit 3.400 Mitarbeitern zu einem der größten Arbeitgebern der Region zählt. Auch eine Schließung der Kaufwelt würde demnach zu einer nicht eben geringen Verschärfung der Arbeitslosigkeit führen.