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Auf dem Prüfstand: Der Länderfinanzausgleich

Auf dem Prüfstand: Der Länderfinanzausgleich

Finanzausgleich auf dem Prüfstand
Finanzausgleich auf dem Prüfstand

Die Ministerpräsidenten von Bayern und Hessen haben erst Anfang dieser Woche Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen den Länderfinanzausgleich eingereicht.

Damit erreicht ein schon länger schwellender Konflikt zwischen Geber- und Nehmerländern einen vorläufigen Höhepunkt, der auch nicht allzu einfach zu schlichten wird.

Der Streit entfacht sich an dem in Artikel 107, Absatz 2, Satz 1 des Grundgesetzes definierten Grundsatz, wonach „die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen“ werden soll. 

[sws_red_box box_size=“640″]Die Idee dahinter: Bundesländer, die finanziell stärker gestellt sind, führen einen Teil ihrer Einnahmen an Länder ab, die über eine geringere Finanzkraft verfügen. Damit sollen die durch die unterschiedliche Steuerverteilung entstehenden Finanzkraftunterschiede unter den Ländern angemessen ausgeglichen werden. [/sws_red_box]

Finanzschwache Bundesländer – so die Idee – werde so in die Lage versetzt, die ihnen zugewiesenen Aufgaben adäquat zu erfüllen. Kritiker sehen hinter dieser Regelung die Gefahr, dass so keine Leistungsanreize für die Nehmerländer entstehen, und fordern daher schon seid Längerem eine Überarbeitung der Länderfinanzausgleichsregelungen.

Länderfinanzausgleich einfach erklärt

Die Entstehung des Länderfinanzausgleichs

Die Väter des Grundgesetzes hielten es nach Gründung der Bundesrepublik für nötig, „sicherzustellen, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird“, wie im Grundgesetz zu lesen ist.

Erst als 1969 eine große Finanzreform durchgeführt wurde, geriet der bis dahin gut funktionierende Finanzausgleich ins Wanken. Die Bundesländer verloren im sogenannten „großen Steuerverbund“ ein Großteil ihrer Steuerkompetenzen und traten diese dafür an den Bund ab.

Der wiederum nahm dafür Investitionen im Agrar- und Bildungsbereich vor und gestand den Bundesländern im Gegenzug außerdem mehr Mitspracherecht bei Bundesgesetzen zu. Kritiker monieren, dass diese Neuregelung zur Abnahme des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Bundesländern geführt hat – eine Meinung übrigens, der sogar das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1999 zugestimmt hat, was zu einer weiteren Reform im Jahr 2001 geführt hat, die seit 2005 rechtsverbindlich ist. Seit 1993 sind außerdem die neuen Bundesländer am Länderfinanzausgleich beteiligt. Eine weitere große Reform ist für das Jahr 2019 vorgesehen, weshalb die Klage einzelner Bundesländer vor dem Bundesverfassungsgericht von Kritikern als zeitlich unpassend bezeichnet wird.

Pressekonferenz von Bouffier und Seehofer

So wird gerechnet

Ob ein Bundesland in den Länderfinanzausgleichstopf einzahlt oder sich aber daraus bedienen kann, ist von der Prokopf-Einnahmesituation in den jeweiligen Bundesländern abhängig. Liegen die pro Kopf-Einnahmen über die für die gesamte Bundesrepublik berechneten Beträge, zahlt das entsprechende Land ein. Für die Berechnung der Einnahmen werden außerdem 64 Prozent der jeweiligen Gemeindeannahmen berücksichtigt. Berlin und den Stadt-Staaten Hamburg und Bremen wird zusätzlich ein höherer Finanzbedarf beigemessen, weshalb ihnen ein um 35% höherer Anteil zusteht als anderen Bundesländern. Ein leicht erhöhter Bedarf wird ebenfalls Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zugestanden, da sie auf Grund ihrer dünnen Besiedlung insgesamt sehr niedrige pro Kopf-Einnahmen erzielen.

Länderfinanzausgleich

Der Länderfinanzausgleich im Detail

Allein im Jahr 2012 haben die Länder Hessen, Bayern und Baden-Württemberg zusammen knapp 7 Milliarden Euro für den Länderfinanzausgleich aufgebracht – und sind damit die einzigen drei von insgesamt 16 Bundesländern, die in den Ausgleichzahlungstopf einzahlen. Die sogenannten Nehmerländer profitieren dabei in unterschiedlichem Maße. Die nachfolgende Auflistung1 veranschaulicht die Zahlen und führt das vorherrschende Ungleichgewicht drastisch vor Augen (alle Angaben in Millionen Euro):

[sws_red_box box_size=“640″]Bayern: – 3.904.338

Baden-Württemberg: – 2.694.281

Hessen: – 1.326.829

Berlin: + 3.322.713

Sachsen: + 962.538

Sachsen-Anhalt: + 547.030

Brandenburg: + 541.696

Thüringen: + 541.190

Bremen: + 516.986

Mecklenburg-Vorpommern: + 452.099

Nordrhein-Westfalen: + 401.734

Rheinland-Pfalz: + 224.488

Niedersachsen: + 172.955

Schleswig-Holstein: + 128.594

Saarland: + 92.214

Hamburg: + 21.212 [/sws_red_box]

Gewinner und Verlierer?

Auch wenn die Zahlen nahe zu legen scheinen, dass einige Länder (insbesondere Berlin und Sachsen) in besonderer Weise vom Länderfinanzausgleich profitieren, lohnt ein Blick in die jeweilige Ausgabesituation: Das Land Berlin und speziell die Hauptstadt sind nicht nur hochverschuldet – sie haben darüber hinaus eine enorme Lastenlast zu tragen, die sich aus der Wichtigkeit Berlins als Hauptstadtrepräsentanz erklärt. Enorme Kosten stehen daher zum Teil nur entsprechend geringen Einnahmen gegenüber. Bei aller (insbesondere bayrischen) Kritik darf jedoch nicht vergessen werden, dass das Bundesland Bayern bis tief in die 1980er Jahre kräftig aus dem Finanzausgleichstopf geschöpft hat.

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Wechselnde Geber- und Nehmerländer

Die wechselhafte Geschichte des Länderfinanzausgleichs spiegelt besonders deutlich die unterschiedlichen wirtschaftlichen Verwerfungen wider, denen die Bundesrepublik bis heute ausgesetzt ist.

So hat nicht nur, wie bereits erwähnt, Bayern kräftig vom Länderfinanzausgleich profitiert. Das heutige Nehmerland Nordrhein-Westfalen hat über viele Jahrzehnte hinweg horrende Summen in den Länderfinanzausgleich eingezahlt. Allein im Jahr 1961 trug der einstige Industriestandort mit umgerechnet knapp 380 Millionen Euro zum Wohlstand anderer Bundesländer bei.

Erst der wirtschaftliche Niedergang sowie der einsetzende Industriewandel haben aus dem ehemaligen Musterschüler ein Sorgenkind gemacht. Knapp vier Milliarden Euro hat Bayern hingegen in knapp drei Jahrzehnten aus dem Finanzausgleich erhalten. Dass die Lage sich ins Gegenteil verkehrt hat, hängt mit dem Wandel dieses Bundeslandes vom Agrar- zum Technologiestandort zusammen. Nur Hessen und Baden-Württemberg haben in den mehr als 60 Jahren Geschichte des Finanzausgleichs nicht in die Finanzausgleichskasse gegriffen, sondern überwiegend eingezahlt.

Klage gegen Länderfinanzausgleich

Die Zukunft des Länderfinanzausgleichs

Der Streit um den Länderfinanzausgleich entfacht sich stets an den von den Geberländern als unsolidarisch empfundenen Abgabeleistungen.

Unterstellt wird dabei, dass einzelne Bundesländer (zum Beispiel Bremen oder Berlin) nicht solide wirtschaften und lediglich die Hand aufhalten, wenn es um die Umverteilung der Ein- und Ausgaben geht. Angeführt wird beispielsweise, dass Studenten in Bayern Semestergebühren entrichten, während in Berlin der Besuch der meisten Hochschulen kostenlos ist.

Außer Acht gelassen wird jedoch, dass beispielsweise Berlin mit einer besonderen Hauptstadt- und Wiedervereinungslast zu kämpfen hat. Dass ausgerechnet einstige Nehmerländer eine Klage einreichen und dies als Pflicht gegenüber ihren Bürgern sehen, entbehrt dabei nicht einer zusätzlichen Ironie. Mit Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 wird ohnehin eine Neuordnung des Länderfinanzausgleiches nötig, weshalb sich der Zeitpunkt der jetzigen Klage kritisieren lässt. Das Signal, das in Richtung der Nehmerländer geht, muss jedoch genauso ernst genommen werden: Die Finanzlage der einzelnen Bundesländer muss sich, wo auch irgend möglich, aus den eigenen Anstrengungen und nicht aus dem Länderfinanzausgleich heraus bessern.

Quelle: 1Bundesministerium der Finanzen, Stand 21.01.2013

Artikelbild Oben: ©panthermedia.net Angelika Krikava

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