Von: Tilman Weigel
Konservativ ist er schon, der Bayer, aber trotzdem weltoffen. So verbissen wie bei den Preußen sieht man es hier nicht. Und mag Franz-Josef-Strauß auch gesagt haben, er sei lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder, so haben wir doch unsere Liberalitas Bavariae, oder?
Der Ausdruck geht vermutlich auf eine Inschrift über dem Kirchenportal des Augustinerchor Herrenstifts Polling aus dem 18. Jahrhundert zurück. Dort ist allerdings von Liberalitas Bavarica die Rede. Und gemeint ist vermutlich keineswegs die bayerische Freiheitlichkeit. Schon eher die bayerische Freigiebigkeit.
Populär wurde der Ausdruck durch den Münchner Journalisten Wilhelm Hausenstein. Der war eigentlich gar kein echter Bayern, sondern Badener. Er wurde in dem kleinen Städtchen Hornberg geboren, das vor allem durch den Ausspruch vom Hornberger Schießen bekannt ist. Allerdings kam er schon zum Studium nach München, verbrachte dort einen großen Teil seines Lebens und liegt dort auch begraben.
1947 hielt er einen Vortrag zu dem Thema Liberalitas Bavarica. Hausenstein war ein erklärter Gegner der Nationalsozialisten gewesen. Die hatten daher schon 1933 seine Entlassung als Redakteur der „Münchner Neusten Nachrichten“ angeordnet und ihn 1943 ganz zur Aufgabe seines Berufs gezwungen. Ganz ohne jede Liberalitas. Sein Vortrag sollte deshalb vermutlich auch sagen „Seid liberal, das ist eine alte bayerische Tugend“. Von „Münchner Liberalität, in welcher auch die Humanität enthalten ist“ war die Rede, von „Münchner Gastfreundschaft“ und von „bayerische Großzügigkeit“.
Letzteres trifft wohl die eigentliche Bedeutung der Klosterinschrift am besten. Denn mehrere Zeugnisse deuten darauf hin, dass die Inschrift im Zusammenhang mit der finanziellen Ausstattung des Klosters steht. In der Memorabilia Pollingana von 1818 berichtet der letzte Propst von Polling von den Spenden der bayerischen Herrscher an das Kloster und schreibt „über dem Portal des Heiligtums aber glänzen zu ewigem Andenken in goldenen Lettern die Worte: Liberalitas Bavarica“. Ewig solle also die Inschrift an die Großzügigkeit der Kurfürsten und Herzöge erinnern.
Der Beliebtheit des Ausspruchs nach 1945 tat das keinen Abbruch. Aus der Liberalitas Bavarica wurde nach und nach die Liberalitas Bavariae. Aus der bayerischen Form der Großzügigkeit wurde nun die Großzügigkeit Bayerns. Im Internet hauen sich Bayern aber auch Nicht-Bayern den Begriff heute gegenseitig um die Ohren. Die Raucher wollen „Liberalitas Bavariae statt Rauchverbot“ und die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit „Liberalitas Bavariae statt linkem Tendenzjournalismus“. Dabei ging es den Schöpfern der Inschrift vermutlich einfach nur ums Geld.