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Ein Sozi als Ministerpräsident

Ein Sozi als Ministerpräsident

Von: Tilman Weigel

Wilhelm Hoegner fällt gerne aus der Reihe. Als Ministerpräsident, denn er ist der einzige seit dem Zweiten Weltkrieg, der nicht der CSU angehörte. Aber auch innerhalb seiner Partei, der SPD. Während die lange Zeit traditionell einen zentralistischen Ansatz verfolgte und die Länder am liebsten abgeschafft hätte, träumte Hoegner von einem starken Bayern. Einige Genossen höhnten, er habe am liebsten eine SPB gegründet, eine Sozialdemokratische Partei Bayerns.

Wilhelm Hoegner war der bisher einzige sozialdemokratische Ministerpräsident in Bayern.

Geboren wurde der Politiker 1887 in München, doch als Sohn eines Eisenbahnbeamten kam Wilhelm viel herum. Der Vater war Franke, er stammte aus Gräfensteinberg (heute Haundorf), rund 40 Kilometer südwestlich von Nürnberg. Wilhelm selbst lebte nach den Jahren in München in Aufkirchen bei Erding und schließlich in Perach bei Altötting. In Burghausen machte er sein Abitur an jenem Gymnasium, an dem rund 20 Jahre zuvor schon Ludwig Thoma gelernt hatte.

Hoegners steile Karriere

Erst 1919 wurde Hoegner Mitglied der SPD. Trotzdem machte er schnell Karriere. 1924 wurde er Landtagsabgeordneter, 1930 Mitglied des Reichstages. Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, verlor er nicht nur seinen Reichstagsitz, als Beamter verlor er auch seine Stelle am Gericht. Er zögerte nicht lange und ging noch im gleichen Jahr nach Tirol, wo er zunächst Sekretär der SPÖ wurde.

Doch schon ein Jahr später verlies er auch Österreich in Richtung Schweiz. Dort blieb er nicht untätig. Als „Urs Liechti“ schrieb er einen „Lustigen Reisebericht aus einer traurigen Zeit„. Darin berichtet er beispielsweise von einem Volksgerichtsverfahren gegen Karl den Großen. Er machte sich aber auch ganz konkrete Gedanken über die Zukunft Bayerns.

Diese Ideen konnte Hoegner bald selbst einsetzen. Nach der Niederlage Deutschlands waren die Siegermächte auf der Suche nach einem neuen Führungspersonal. Erster Ministerpräsident wurde der CSU-Politiker Fritz Schäffer. Hoegner wurde mit dem Aufbau eines neuen Justizsystems beauftragt.

Wilhelm Hoegner (2.v.l.) bei der Ministerpräsidenten-Konferenz 1947 - Foto: Bundesarchiv, Bild 183-H0612-503- 001 / CC-BY-SA

Doch die Alliierten waren unzufrieden mit Schäffer. Er tat in ihren Augen zu wenig für die Entnazifizierung. Schon nach wenigen Monaten setzten sie ihn daher wieder ab. Sein Nachfolger wurde Wilhelm Hoegner. Geprägt hat er Bayern jedoch vor allem durch seine Mitarbeit an der Bayerischen Verfassung, wo er aufgrund seiner Erfahrung in der Schweiz die Volksabstimmung verankerte.

Er kam wieder

Etwas über ein Jahr blieb Hoegner Ministerpräsident. Dann durften die Bayern erstmals seit 1933 wieder wählen. Der Ministerpräsident wurde nun nicht mehr vom amerikanischen Militär bestimmt, sondern vom Landtag und der wählte Hans Ehard. Hoegner blieb allerdings ein weiteres Jahr als Justizminister in der Regierung.

Nachdem er einige Jahre wieder am Gericht tätig war, wurde er 1950 erneut Minister, diesmal Innenminister. Doch seine große Stunde schlug 1954. Die CSU hatte zwar die meisten Stimmen bekommen, doch die vier Konkurrenzparteien taten sich zusammen und bildeten gemeinsam eine Regierung. Neuer Ministerpräsident wurde Wilhelm Hoegner. Die Koalition hielt allerdings nur drei Jahre. Dann zerbrach sie nach dem schlechten Abschneiden der vier Parteien bei der Bundestagswahl.

Seitdem hat es in Bayern kein Sozialdemokrat mehr auf die Regierungsbank geschafft. Hoegners Arbeit wirkt allerdings durch die Bayerische Verfassung bis heute.

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