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Die letzte Dampfstraßenbahn in Deutschland – mit Volldampf zur Schwarzen Madonna

Die letzte Dampfstraßenbahn in Deutschland – mit Volldampf zur Schwarzen Madonna

Von: Tilman Weigel

München hat sie, Nürnberg hat sie, Würzburg auch und Augsburg sowieso. Als einzige unter den fünf größten bayerischen Städten hat Regensburg am 1. August 1964 den Betrieb seiner Straßenbahn eingestellt.

Früher rumpelten sie dagegen auch in vielen mittelgroßen bayerischen Städten über die Gleise, beispielsweise in Schweinfurt, Landshut oder Hof. Eher ungewöhnlich war allerdings die Dampfstraßenbahn von Neuötting nach Altötting.

Die Jungfernfahrt des "Bockerls" am 16. August 1906

Nicht nur, weil beides Kleinstädte sind, in denen selbst in deren Hochzeit von 1900 bis 1922 selten Straßenbahnen fuhren. Sie wurde zudem nicht von Pferden gezogen oder elektrisch betrieben, sondern mit Dampf. Drittens war es die einzige Straßenbahn im Königreich, die von der Bayerischen Staatsbahn betrieben und später die einzige im Deutschen Reich, die von der Reichsbahn unterhalten wurde.

Gründe für den Bau gab es mehrere. Zum einen wollte man die beiden Nachbarstädte Altötting und Neuötting besser miteinander verbinden. Hinzu kam, dass der Bahnhof von Neuötting mehrere Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt. Zudem sollte die Pilgerhochburg Altötting besser an das Schienennetz angebunden werden. Denn der Bahnhof Altötting liegt an der Nebenstrecke Mühldorf – Burghausen, der Bahnhof Neuötting dagegen an der damals weit bedeutenderen Strecke von München über Mühldorf und Simbach nach Wien.

Die Bahn auf dem Weg von Altötting nach Neuötting

Allerdings sah das „Bockerl„, wie es im Volksmund genannt wurde, auf den ersten Blick gar nicht aus wie eine Straßenbahn. Sie bestand aus mehreren Wagen, die von einer Dampflokomotive gezogen wurden und ähnelte damit mehr einer Schmalspurbahn. Tatsächlich war es die einzige oberbayerische Schmalspurstrecke der Königlich Bayerischen Staatsbahn und die zweite in Bayern nach jener im bis 1972 mittelfränkischen Eichstätt.

Dass die Bahn dennoch als Straßenbahn geführt wurde, hatte mehrere Gründe. So verlief sie zum großen Teil in der Stadt. Sie startete am Neuöttinger Bahnhof und hielt unter anderem an der Neuöttinger Pfarrkirche, am Altöttinger Franziskushaus sowie dem Kapellplatz mit seiner Gnadenkapelle, dem Ziel vieler Wallfahrer, um dort zur Schwarzen Madonna zu beten. Zudem war der Betrieb einer Straßenbahn einfacher zu genehmigen. Eine königliche Verordnung untersagte es sogar, zwei bereits durch die Staatseisenbahn erschlossene Orte zu verbinden, weil zunächst Gemeinden ohne Eisenbahnanschluss neue Strecken erhalten sollten.

So dampfte das „Bockerl“ ab 1906 als Straßenbahn. Sie überlebte die große Stilllegungswelle der Jahre 1921 und 1922, doch 1930 war Schluss. Bereits seit langem wurde ein Ende der überkommenen Technik gefordert. Busse waren moderner und die Zukunft gehörte ohnehin dem Individualverkehr. Damit endete am 1. April 1930 der Betrieb der letzten Dampfstraßenbahn Deutschlands.

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