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Der Fürther Vater des Wirtschaftswunders

Der Fürther Vater des Wirtschaftswunders

Von: Tilman Weigel

Als Preistreiber stellt ein alter SPD-Werbespot den späteren Vater des Wirtschaftswunders dar, der mit „Erhardol“ die Preise groß spritzt. Der Zeichtrickfilm hat einen realen Hintergrund. Kurz zuvor hatte der Fürther Professor Ludwig Erhard als Direktor der Verwaltung für Wirtschaft die staatliche Preisbindung und die Zwangsbewirtschaftung abgeschafft.

Ludwig Erhard im Jahr 1957 - Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F004204-0003 / Adrian, Doris / CC-BY-SA

Diese Verwaltung für Wirtschaft war eine Art Wirtschaftsministerium der Bizone, also der amerikanischen und britischen Besatzungszonen. Freilich mit eingeschränkter Macht, denn das Sagen hatten die Besatzungsmächte. Sein Aufhaben der Preisfestlegung brachte Erhard sofort eine Rüge des amerikanischen Militärgouverneur. Er habe ohne Erlaubnis die Vorschriften des Besatzungsrechts geändert. „Ich habe sie nicht verändert“, war die Antwort des Fürthers, „ich habe sie abgeschafft!“

Erhard glaubte nicht an den Segen staatlicher Interventionen. Die neue Strömung, der er anhing, nannte sich Ordoliberalismus. Der Staat sollte nicht die Wirtschaft steuern, aber er sollte auch dem Markt nicht völlig freie Hand lassen, sondern Rahmenbedingungen setzen.

Dass Ludwig Erhard sich auf ein wissenschaftliches Konzept berief war kein Zufall. Der am 4. Februar 1897 in Fürth geborene Kaufmannssohn hatte zunächst eine wissenschaftliche Karriere eingeschlagen. Nach seiner Promotion hatte Erhard zwar den väterlichen Betrieb übernommen. Doch der ging 1928 in der Wirtschaftskrise pleite. So begann er im gleichen Jahr als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware.

So kannte man ihn: Ludwig Erhard mit Zigarre - Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F022484-0016 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA

Dort machte er Bekanntschaft mit Wilhelm Vershorfen. Als dessen Mitarbeiter war er an der Gründung der Gesellschaft für Konsumforschung beteiligt, der heutigen GfK SE. Außerdem hielt er das erste Marketingseminar in Deutschland, das damals allerdings noch absatzwirtschaftlicher Kurs hieß. Vielleicht hätte er eine Karriere als Wissenschaftler oder Manager gemacht, wäre ihm nicht die Politik dazwischen gekommen.

Schon 1945 wurde er kurz Wirtschaftsreferent in Fürth und wenig später bayerischer Wirtschaftsminister. Nach der Wahlniederlage des Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner wechselte er 1947 in die Verwaltung der Bizone, ehe er 1949 erster Wirtschaftsminister der Bundesrepublik im Kabinett Adenauers wurde.

Mit dem „Alten“ verstand er sich nie so richtig gut. Adenauer war Realpolitiker, Erhard auch Wissenschaftler. Als Adenauer die Rente 1957 auf die heutige Umlagefinanzierung umstellte, warnte Erhard davor. Bei sinkenden Geburten könnte das System Probleme bekommen. Adenauer setzte sich mit dem Ausspruch „Kinder kriegen die Leute immer“ durch.

Erhard als Wirtschaftsminister 1963 - Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F015320-0001 / Patzek, Renate / CC-BY-SA

Auch sonst stichelte Adenauer gegen den Franken. Doch der war im Laufe der Zeit unverzichtbar geworden. Nachdem die Wirtschaft nach anfänglichen Schwierigkeiten wuchs, wurde Erhard einer der beliebtsten Politiker, 1957 dann Vizekanzler und 1963 sogar Bundeskanzler. Doch als Regierungschef hatte er kein Glück. Zu gutgläubig und weltfremd sei er, urteilten Kritiker. Dann rutschte Deutschland in eine Wirtschaftskrise und wegen geplanter Steuererhöhungen traten die FDP-Minister aus der Koalition aus. Eine große Koalition wurde gebildet, aber nicht unter Ludwig Erhard, sondern unter Kurt Georg Kiesinger.

Für die Deutschen bleibt er vor allem als Wirtschaftsminister in Erinnerung. Mit dicker Zigarre als „Vater des Wirtschaftswunders“.

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